Hauptinhalt

Wurzen – 2015

»Hier ist Wunderland«

Das BIldlogo des Tages der Sachsen in Wurzen.

Wurzen war eine Reise wert! Die Wurzener hatten das Ringelnatz-Zitat »Überall ist Wunderland« kurzerhand klarer lokalisiert und unter dem Motto »Hier ist Wunderland« am ersten Septemberwochenende 2015 in ihre Stadt eingeladen. Und Wurzen war Wunderland!

Tausende Menschen in den Gassen der Altstadt. An jeder Ecke Musik und Unterhaltung. Auf 15 Bühnen gab es Programm. Vereine, Unternehmen, Institutionen aus ganz Sachsen präsentierten sich und sorgten in den Themenmeilen für unglaubliche Vielfalt. Der Stadtpark – ohnehin schon ein Kleinod – verwandelte sich in ein Märchenland. Hier begegneten den Gästen Fabel- und Sagenfiguren, die speziell für den »Tag der Sachsen« nach Wurzen gekommen waren. Noch heute zaubert die Erinnerung an diese Wunderwelt den Menschen ein Lächeln ins Gesicht. Ja – das müssten wir mal wieder machen....

Wirklich? Vielleicht ist es ganz gut, an dieser Stelle mal die andere Perspektive einfließen zu lassen. Denn dass die Besucher auch knapp zehn Jahre nach dem Festwochenende noch schwärmen, ist das Ergebnis einer unvorstellbaren Organisation. Wir – die damals zum »Projektbüro« gehörten, können heute kaum noch nachvollziehen, wie wir das geschafft haben. Wir waren keine Event-Manager, sondern Mitarbeiter der Stadtverwaltung… Mit mehr oder weniger Erfahrung in der Veranstaltungs-Organisation. Was uns jedoch einte: Wir wollten ein tolles Wochenende auf die Beine stellen. Die Herausforderungen haben uns zusammengeschweißt. Noch heute treffen wir uns regelmäßig (auch diejenigen, die nicht mehr in Wurzen arbeiten) und gehen chinesisch Essen. Das war damals unser Ventil – wenn der Riemen mal total runter war. Tür zu und erst mal »All you can eat«, dann lief es wieder. Vielleicht nicht gleich rund… Denn wir hatten ja nicht wirklich eine Vorstellung, was selbst im Vorfeld des Festes zu bewältigen war. Beispielsweise die Teilnahme an Messen und Präsentationen auf den verschiedensten Veranstaltungen in Nah und Näher, oft auch an den Wochenenden. Absprachen mit der Staatskanzlei. Es galt die Infrastruktur der Stadt genau unter die Lupe zu nehmen und zu schauen, wo und wie wir unsere Straßen und Plätze in eine erlebbare Veranstaltungsfläche verwandeln. Die Stadt war einfach zu klein, die Gassen zu eng. Noch dazu mussten Parkplätze gefunden werden. Stadtnah natürlich. Aber einen Busshuttle brauchten wir auch.

Ein Mann schnitzt auf eienm Volksfest.
© Stadt Wurzen I Sächsische Staatskanzlei

Rettungsdienst, Feuerwehr, Polizei – jeder hatte seine Wünsche, Vorschriften und setzte seine Rahmenbedingungen. Manchmal war die Decke an allen Enden zu kurz, manchmal wurde passend gemacht, was nicht ganz passte. Ganz abgesehen vom finanziellen Aspekt…

Im letztlich über 90 Hektar großen Festgebiet sollten die Besucher in insgesamt 18 Themenmeilen und auf 15 Bühnen erleben, wie bunt Sachsen ist. Wirtschaft, Handwerk, Hobby, Politik, Sport, Kunst, Kirche, regionale Produkte -  alles Denkbare sollte und wollte ansprechend sowie mitreißend präsentiert werden.

Unzählige Listen wurden erstellt. Aus ganz Sachsen und Mitteldeutschland meldeten sich die Vereine und Akteure an. Mit den Gästen aus den Partnerstädten Barsinghausen und Warstein bezogen wir selbst den Westen ein. Die Akteure aus den Partnerstädten Milicz (Polen) und Tamasi (Ungarn) sorgten für internationales Flair. Sie alle brauchten Stellplätze, Parkplätze, Bühnenzeiten, Übernachtungen und hatten teilweise Sonderwünsche. Das Telefon klingelte den ganzen Tag. Fragenvielfalt pur. Und Stück um Stück wuchsen wir an unseren Aufgaben und hatten die passenden Antworten. Wir waren ein Team. Nicht nur wir im Projektbüro! Auch den anderen Mitarbeitern aus der Verwaltung wurde die Dimension dieses Festes mehr und mehr bewusst. Da galt es nicht lange zu debattieren und den Kümmel im Käse zu suchen oder zu begründen, warum man dafür nicht zuständig ist. Da war »Freitag nach eins…« passè. Da galt es Entscheidungen zu treffen, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, Perspektiven zu wechseln. Abtauchen ging nur, indem man ins Maskottchen-Kostüm schlüpfte. Unser Türmchen Wenzel – eine Hommage an die Stadtkirche St. Wenceslai – war jedoch irgendwie eine Kombination aus Sauna und Shape-Ware. Also auch kein bequemes Dauerversteck. Dann lieber Mitmachen – sichtbar – egal wo. Ganz gleich ob in den Info-Hütten, als Ansprechpartner in den Vereinsquartieren, als Einweiser auf den Sonderparkplätzen… Oder gleich mithüpfen beim Weltrekordversuch der Linedancer.

Der Blick auf einen großen Aufzug.
© Stadt Wurzen I Sächsische Staatskanzlei

Apropos Perspektive liebe andere Ausrichterstädte: Was fällt euch ein, wenn ihr das Wort Vignette hört?  Ganz genau: Sperrkreise. Innerer und Äußerer. Einfahrts- und Parkverbote für die Einwohner. Hier wurden liebgewordene Gewohnheiten der Anwohner außer Kraft gesetzt. Gab es darüber wirklich Diskussionen? Ein wenig vielleicht. Aber auch diese kleine Meckerei wich einem Wir-Gefühl. Die Wurzener wollten gute Gastgeber sein.

Die Planungen für das Festwochenende verlängerten zwar die Wege zum Parkplatz, aber verkürzten die zur Verwaltung. Zu diesem Zeitpunkt bestanden nahezu durchgängige Kommunikations- und Abstimmungsprozesse. Im Projektbüro war ständig jemand erreichbar. Es wurde nicht nur geredet, es wurden Lösungen gefunden. Die Stadt war ein Team!

So war es nicht selten, dass im Projektbüro gleich mal eine Nachbarin reinschaute und unsere rauchenden Köpfe mit leckerem Eis abkühlte. Es gab selbstgebackenen Kuchen oder der Fleischer aus dem Nachbarort brachte ein Paket »Wurscht« zur Stärkung vorbei. Nachbarort ist noch ein gutes Stichwort. Anfang der 2010er Jahre hatten die Wurzener und ihre Nachbargemeinden, der im Land um sich greifenden Verwaltungs-Fusionitis eine Absage erteilt. Stattdessen wurde die Kooperation als »Wurzener Land« favorisiert. Und wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass Wurzen ein Wunderland ist: Das freiwillige Zusammenwachsen der vier Nachbarkommunen des »Wurzener Landes« zum starken Quartett ist er. Denn die Vorbereitung des »Tag der Sachsen« wirkte auch auf dieser Ebene wie ein zusätzliches Triebwerk. Jahrzehnte lang liebevoll gepflegte Befindlichkeiten der benachbarten Verwaltungen wichen der Erkenntnis: Wir müssen zusammen aktiv sein! Wir sind eine Region! Zugegeben, manches passierte anfangs schon unter Zwang und war gar nicht anders möglich – allein die Sperrkreise reichten ja teilweise bis über die kommunalen Grenzen hinweg. Andere Schranken aber fielen freiwillig. Man redete eben öfter miteinander und merkte, dass nicht nur das Festwochenende ein gemeinsames Ziel sein muss. Übrigens ist das noch heute so. Nachhaltig würden wir das jetzt nennen. Das Wurzener Land ist mittlerweile weit über seine Grenzen hinaus ein Begriff. Die Kommunen planen Dinge gemeinsam und sprechen sich ab. Die Menschen hier denken regional und zumindest meistens auch für den Nachbarn mit. Die Vereine der ganzen Region treffen sich regelmäßig zum Stammtisch. Und alle vier Kommunen füllen gemeinsam einen Fördertopf, um Vereinsprojekte zu unterstützen.

Eine Frau steht hinter einem Modellschiff.
© Stadt Wurzen I Sächsische Staatskanzlei

Apropos Projekte: Die Ausrichterkommunen des »Tag der Sachsen« erhalten regelmäßig Unterstützung, um bauliche Vorhaben in ihrer Stadt umzusetzen. So konnte auch unser neu gestalteter Wettiner Platz entstehen – ein echter Hingucker, der, wie es der Zufall will, direkt neben unserem Lieblingsasiaten liegt. Wenn wir jetzt dort sitzen, schauen wir direkt auf die toll bepflanzten Rabatten und den beleuchteten Obelisken. Und dann erinnern wir uns an den Stress, an das gute Miteinander auch mit der Ausrichterstadt vor uns – Großenhain und denen die nach uns kamen, Limbach-Oberfrohna. Wir reden darüber, dass auch für uns Hemmschwellen fielen und wir mit »denen da oben« in der Staatskanzlei wunderbar zusammengearbeitet haben. Wir erzählten vom Festumzug, wie er an uns vorbeirauschte und Einheimische sowie allerhand Gäste begeisterte. Als dieser dann losgerollt war, hatten wir uns die Regenjacken angezogen und uns mit einem Glas Sekt und Pappschildern vor unser Projektbüro gesetzt. »Wir haben fertig« hatten wir darauf geschrieben und bekamen dafür so viele herzliche Lacher und Zurufe, dass die Anstrengung der vergangenen Monate wie weggeblasen war. Wir lachten zurück. Und hätte in diesem Moment jemand gesagt: Das müssten wir mal wieder machen, hätten wir sicher geantwortet: Warum eigentlich nicht?

Wunderbare Fakten zum »Tag der Sachsen«

  • rund 400 Vereine aus ganz Sachsen
  • 15 Bühnen
  • 90 ha Festgebiet
  • Festumzug mit über 4000 Teilnehmern
  • 243 000 Gäste
  • In einer Umfrage wählten die Einwohner aus Wurzen und der Umgebung mit 503 von 1100 abgegebenen Stimmen »Wencel – das Türmchen« zum Maskottchen des »Tag der Sachsen«
zurück zum Seitenanfang