Zwickau - 2000
»Zwickau 2000 – Glück auf«
Umgeschaut in der Automobil- und Robert-Schumann-Stadt: Wenn aus einem Fest für ein Wochenende Bleibendes für eine lange Zeit entsteht
Ein Vierteljahrhundert ist es nun her, dass Zwickau vom 1. bis 3. September 2000 die Bewohner des Freistaates zum 9. »Tag der Sachsen« einlud. Das Jahr 2000 war ein sogenanntes Sekulärjahr, sprich ein Jahr, das ein Jahrhundert abschließt. Es war zugleich das erste der 2000er-Jahre. Die Menschen befanden sich in jener Zeit also ohnehin im Feiermodus. Es herrschte eine besondere Aufbruchsstimmung. 2000 war zudem ein Schaltjahr mit 366 Tagen. Drei davon standen im Zeichen dieses für die viertgrößte Stadt im Freistaat außergewöhnlichen Ereignisses. Lange hatten die Zwickauer auf dieses Wochenende hingearbeitet und das meint absolut nicht nur die akribische Vorbereitung des eigentlichen Festgeschehens in den Arbeitsgruppen, die sich um das Programm und das aufwändige Drumherum kümmerten. Vielmehr wurde dieses sehr besondere Eventgeschehen in Zwickau als Zielpunkt für fortan stadtbildprägende Bauvorhaben definiert.
Blick zurück: Der »Tag der Sachsen« in Zwickau
Die 9. Auflage des größten Volks- und Vereinsfestes in Sachsen hatte eine Besonderheit: erstmals richtete eine Großstadt dieses Fest aus. (Anmerkung: Seinerzeit zählte Zwickau noch knapp 103.000 Einwohner, heute sind es noch über 88.000 Bewohner). Mit ca. einer halben Million Besucher hatten die Organisatoren gerechnet. Tatsächlich aber kamen 595.000 Menschen in die Automobil- und Robert-Schumann-Stadt, unter ihnen auch der damalige Ministerpräsident Prof. Kurt Biedenkopf und seine Familie. Sie alle erlebten viele Höhepunkte, wie die Krönung der sächsischen Erntekönigin, die Aufführung von Carl Orffs »Carmina Burana« in der nagelneuen Stadthalle, den Starauftritt der bis heute erfolgreichen sächsischen Band DIE PRINZEN sowie einen ökumenischen Gottesdienst auf dem gerade erst fertiggestellten Hauptmarkt oder auch den Start der »Karawane für mehr Kinderfreundlichkeit 2000«, die durch mehrere Städte der Bundesrepublik führte.
Mit der Übergabe des Staffelstabes an Zittau als Ausrichterstadt des 10. »Tag der Sachsen« endete das Großereignis in Zwickau. 829 Vereine hatten mit 20.051 Teilnehmern einen Großteil der insgesamt ca. 1.100 Veranstaltungsangebote, u. a. auf 26 Bühnen – sieben davon waren Medienstandorte – bereichert. 1.700 Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Freiwillige sowie zahlreiche Beschäftigte ortsansässiger Betriebe und Einrichtungen sowie 2.200 Kräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten sorgten für reibungslose Abläufe. Auf 17 Besucherparkplätze wurden 73.000 Stellplätze rund um Zwickau bereitgestellt. Rund 250 Händler und Gewerbetreibende hielten Angebote bereit. 140 Hostessen und Hoste kümmerten sich um die Besucher der Stadt, für die u. a. 1.600 Unterkünfte in Zwickauer Hotels und Pensionen zur Verfügung standen. Es gab 3.500 Übernachtungen von Vereinsmitgliedern, die in 19 Schulen untergebracht waren.
Nachhaltigkeit das Zauberwort für vieles, was rund um den »Tag der Sachsen« entstanden war. Denn den Verantwortlichen der Stadt, somit auch dem Org.-Team, ist es seinerzeit um weit mehr gegangen als um die »Festtagstauglichkeit« für feierlaunige Momente eines einzigen, wenn auch gigantischen Feierwochenendes.
Exemplarisch zeigte die Pflanzung von fünf Platanen am Dr.- Friedrichs-Ring während des Festes, durch die Zwickau Anschluss an die Deutsche Alleenstraße erhielt, was durch das Großereignis angeschoben wurde: die Automobil- und Robert-Schumann-Stadt blühte im wahrsten Wortsinne auf! Schon vor dem »Tag der Sachsen« waren beachtliche Großprojekte eingeweiht worden, ohne die Zwickau heute schwer vorstellbar wäre.
Stadtbildprägendes aus dem Jahr 2000: Hingucker mit ausgeprägtem Wow-Effekte
Die Aufzählung der Bauobjekte, die rund um dieses Ereignis entstanden, lässt selbst alteingesessene Zwickauer, die diese besondere Zeit des enthusiastischen Aufbruchs in der Nachwendezeit hautnah miterlebten, im Nachgang nochmal so richtig staunen.
Bereits 1999 war ein besonderes Projekt im wahrsten Wortsinne auf die Gleise gestellt worden: der RegioSprinter. Das sogenannte »Zwickauer Modell« verknüpft die Regional- und Straßenbahn auf einem Drei-Schienen-Gleis.
Schlag auf Schlag haben die Zwickauer dann im Jahr 2000 eine Reihe von Einweihungen außergewöhnlicher Objekte erlebt, die heute als Zwickau-typisch gelten: am 5. Mai wurde das innerhalb des URBAN-Projektes der Europäischen Union unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten umfassend sanierte Johannisbad in der Nordvorstadt festlich eingeweiht. Am 15. Juli folgte die Übergabe des attraktiv umgestalteten Hauptmarktes vor dem Rathaus. Dieser bewährte sich fortan als Party- und Festplatz Nr. 1, ob nun bei Auto-, Sport- oder Musikevents. Mit einem Tag der offenen Tür wurde am 6. August 2000 die neu errichtete Stadthalle im »Glück Auf Center« ihrer Bestimmung übergeben. Am 23. August 2000 ging es dann gleich weiter mit der Übergabe einer wichtigen Kulturstätte, die ebenso wie die Stadthalle ein optisch interessanter Rundbau ist. Die Zwickauer weihten ihren Alten Gasometer ein, ihr Demokratie- und multikulturelles Bürgerzentrum als Treffpunkt junger Leute und Spielstätte u. a. für Konzerte, Kabarett, Theater sowie Veranstaltungen vielgestaltigster Art. Einen Tag später öffnete dann auch noch das Einkaufszentrum »Zwickau Arcaden« im Herzen der Stadt seine Pforten.
Fortsetzung folgt bis heute: »Tag der Sachsen« als Inspiration für das beliebte Stadtfest Zwickau
Doch Gebäude, Plätze und Verkehrsprojekte sind nur eine Seite einer l(i)ebenswerten Stadt. Zwickau entwickelte aus dem »Tag der Sachsen« heraus sein größtes und eines der beliebtesten Feste, das mit seinem Konzept jährlich bis zu über 150.000 Besucher angezogen hat.
Inspiriert von der logistischen Meisterleistung des in elf Arbeitsgruppen agierenden Org.-Teams – mehr aber noch beeindruckt von der Begeisterung der Einheimischen und der Besucher der Stadt – reifte in der Folgezeit die Idee, den »Tag der Sachsen« in Zwickau dauerhaft nachklingen zu lassen. Zwickau sozusagen im Festkleid wirken zu lassen..., das sollte keine »Eintagsfliege« bleiben: zu beeindruckend war das Erlebte. Hatte doch der »Tag der Sachsen« allen vor Augen geführt, welch zauberhaftes Ambiente die liebevoll erhaltene Altstadt für ein vieltausendköpfiges feierlauniges Publikum zu bieten hat. »Wenn wir ein so großes Fest für alle Sachsen gestemmt haben, sollte es uns möglich sein, ein jährliches Stadtfest für Einheimische und Sommergäste auf die Beine zu stellen! Das organisatorische Know-how und die Strukturen dafür haben wir«, war die einhellige Meinung vieler damals schon im Org.-Team sitzender Macher.
Zwei Jahre später war es dann so weit: Das erste Zwickauer Stadtfest ging sozusagen als neugeborenes Kind des großen »Tag der Sachsen« über die drei innerstädtischen Bühnen auf dem Hauptmarkt, dem Domhof und dem Kornmarkt. Das geschah nach einem natürlich deutlich »abgespeckten«, aber in Anlehnung an die Grundprinzipien des »Tag der Sachsen« in Zwickau konzipierten Programms. Im Laufe der Jahre wurde auch das Muldeparadies mit Angeboten für die ganze Familie und für Kinderprogramme mit einbezogen und in der Peter-Breuer-Straße gab es eine vierte innerstädtische Bühne des Clubhauses Crimmitschau, speziell für jugendliches Publikum.
Die Stadtfest-Premiere lief leider erstmal anders als gedacht: was als fröhliches Volksfest geplant war, wurde überschattetet von den Hochwasserereignissen im August 2002! So wurde das erste Zwickauer Stadtfest zur Benefizveranstaltung, in der die Zwickauer sich solidarisch mit der Stadt Grimma zeigten. Doch in den Folgejahren stand partylaunigen Festen für Jung und Alt nichts mehr im Wege.
»Spaß hautnah – Party pur – DU mittendrin!« ist mittlerweile seit vielen Jahren das Motto des größten Open-Air-Sommerfestes der Zwickauer und ihrer Besucher. Mit Verzögerung durch die Corona-Pandemie konnten die Zwickauer im Jahr 2023 das Jubiläum »20 Jahre Stadtfest Zwickau« feiern. Bei der Programmgestaltung spielen bis heute nach wie vor – und das hat eindeutig seinen Ausgangspunkt beim »Tag der Sachsen« – ortsansässige und regionale Vereine eine große Rolle. Sie bekommen mit dem Stadtfest ein Podium, um sich einem großen Publikum zu präsentieren und damit ggf. auch neue Mitglieder zu werben. Festzustellen ist jedoch: der Anteil hin zu mehr Musikacts hat sich in den vergangenen Jahren weiter verschoben. Der Grund: heute stehen Vereinen oftmals leider weniger Ressourcen als in früheren Jahren zur Verfügung. Zudem ist es herausfordernd, immer wieder Menschen zu finden, die sich im Ehrenamt der Betreuung von Vereinsmitgliedern widmen und sich auf Basis der Freiwilligkeit für die Aufrechterhaltung des Vereinslebens engagieren.
Die nicht zuletzt durch die Pandemie dauerhaft veränderten Bedingungen mit Blick auf personelle und finanzielle Gegebenheiten sowie auf Ressourcen seitens der Veranstalter, Vereine, Gastronomen, Händler, Reinigungsdienste, Securityfirmen usw. usf. hatten letztlich auch Auswirkungen auf das 21. Stadtfest. Die Zwickauer sahen sich gezwungen darüber nachzudenken, ob sie ihr Stadtfest in der bisherigen Form noch stemmen können. Das Ergebnis: statt an bislang vier feierte man im Jahr 2024 an drei Festtagen.
Auf dem Prüfstand: Zeitenwandel – Was bleibt, was aber auch nicht?
Ein Vierteljahrhundert später müssen also auch die Zwickauer feststellen, dass sich im Laufe der Zeiten vieles wandelt. Mit Blick auf die Bedingungen für Veranstalter und Dienstleister, auf Preise und personelle Engpässe und nicht zuletzt auf einige durch die lange Corona-Zeit völlig veränderte Rahmenbedingungen stellt sich die Frage: Müssen wir Bewährtes und Liebgewonnenes in der Mitte der 2020er-Jahre ganz neu anschauen und Perspektiven für die kommenden Jahre ehrlich diskutieren? Festzustellen sind auch veränderte Erwartungen des Publikums hinsichtlich moderner Präsentationsformen, die nicht zuletzt auch Ergebnis einer sich im Wandel befindlichen Medienlandschaft mit ganz neuen Kommunikationswegen sind.
Neue Wege ausprobieren. Das gelang den Zwickauern beispielsweise schon mit einem Projekt im Jahr 2018, lange vor der Pandemie. Damals feierte die Stadt mit einem Festjahr »900 Jahre Zwickau«. Viele Menschen wünschten sich einen traditionellen Festumzug als einen Höhepunkt einer Festwoche im Mai. Viele andere – und dazu gehörten besonders die Organisatoren, die das Rundherum um den Festumzug zum »Tag der Sachsen« hautnah erlebt hatten – aber auch nicht. Seinerzeit war der Festumzug mit rund 6.000 Teilnehmern von 320 Vereinen, begleitet von 190 Tieren (von Pferd bis Taube) sowie 360 Fahrzeugen auf einer Länge von knapp fünf Kilometern monatelang liebevoll vorbereitetet worden. Doch über ihm standen im wahrsten Wortsinne dicke Regenwolken. Als der Umzug begann, kannte der Regen kein Aufhalten mehr. Das trieb so manchem Teilnehmer sowie auch Organisatoren und Zuschauern Tränen der Enttäuschung und Wut auf den Wettergott in die Augen.
Die neue Idee, stattdessen ein (wetterunabhängigeres) Festival of Lights mit der spektakulären Illumination von Gebäuden und schönen Orten zu organisieren, rief am Ende bei den Besuchern der Stadt Begeisterungsstürme hervor und selbst jene, die anfangs skeptisch gewesen sind, waren am Ende fasziniert.
Auch Zwickaus Oberbürgermeisterin Constance Arndt macht sich zu großen Festen ihre Gedanken. Sie kennt das allergrößte Fest, das je in Zwickau über die Bühnen ging, nur vom Hörensagen. Anders als ihre drei Amtsvorgänger (zwei davon waren im Jahr 2000 noch Baubürgermeister bzw. Bürgermeisterin für Soziales und Kultur) erlebte sie das größte Fest, das die Stadt je feierte, nicht mit, da sie seinerzeit noch als sehr junge Frau in ihrer Geburtsstadt Dresden wohnte. Wohl aber hat auch die heutige Oberbürgermeisterin mittlerweile zahlreiche Feste in Zwickau samt deren Faszination, aber auch Problemlagen erlebt bzw. beobachtet und kommt zu dem Schluss: Manches, was sich lange bewährt hat, muss neu auf den Prüfstand. Neue Überlegungen zu einer Modernisierung des Zwickauer Stadtfestes sind für die Oberbürgermeisterin kein Tabu. Auch mit Blick auf den »Tag der Sachsen« stellt Constance Arndt die Frage, ob man Veranstaltungen in der bisherigen Form, in den bislang üblichen Dimensionen weiterführen sollte oder ob es an der Zeit ist, auch hier über neue Präsentationsformen und Wege nachzudenken.
Fakten
- 829 Vereine
- 250 Händler und Gewerbetreibende
- 26 Bühnen, davon 7 Medienstandorte
- 5 km langer Festumzug mit 320 Vereinen, 6.000 Teilnehmern, 190 Tieren (von Pferd bis Taube) und 360 Fahrzeugen
- 595.000 Gäste